Freitag, 18. August 2017
Alltag und große Entscheidungen
Es reeeeegnet in Perth!!! Nach über 3 Wochen endlich REGEN und KÜHLE LUFT!
Als wir nach 1,5 Stunden Fahrt die Einfahrt zu „unserer“ Villa passieren wird mir ganz warm ums Herz. Endlich ZUHAUSE!
Liz hat mir bereits mein Bett im Wohnzimmer gerichtet und die erste Nacht verbringe ich im Haus.
Nach gefühlten 10 Minuten Schlaf hüpft mir etwas auf den Bauch und ich werde freudig abgeschleckt – Lilly – Liz Hund hat mich wiedererkannt und ein Blick auf die Uhr sagt mir: es ist bereits 5:30Uhr.
Liz begrüßt mich liebevoll und die anderen Backpacker die nach und nach aufstehen um zur Arbeit zu gehen freuen sich ebenfalls sehr. Was für ein schöner und liebevoller Empfang!
Nach einem kleinen Frühstück und einem wunderschönen Sonnenaufgang beginne ich meine kleine Hütte im Garten einzurichten.
Sie wird mein Zuhause fürs nächste halbe Jahr und vermutlich auch länger sein.







Die ersten 3 Tage in Woodridge vergehen wie im Flug...
Eine Entscheidung die ich in diesen Tage gefällt habe ist, dass ich definitiv auch noch das zweite Jahr in Australien verbringen werde. Ich habe mich derart in dieses Land, die Natur, die Tiere und die Natürlichkeit der Aussies verliebt, dass ich mich hier von der ersten Sekunde an -daheim- gefühlt habe.
Und daheim ist man ja bekanntlich da, wo man sich zuhause fühlt!
Um das „Second year visa“ zu bekommen, muss man jedoch 3 Monate Farmarbeit leisten.
Aus diesem Grund habe ich mich bei einer Hühnerfarm hier in der Nähe beworben. Das widerspricht zwar jeglichen Einstellungen zum Tierschutz die ich vertrete, aber leider gibt es keine andere Möglichkeit, denn die Früchtefarm ist komplett besetzt. Vermutlich werde ich Vegetarier nach den 3 Monaten :-(!

Die Gute Liz hat mir angeboten zur Überbrückung bis sich die Farm bei mir meldet, bei ihr ein paar Stunden mitzuarbeiten. Liz ist selbstständige Gärtnerin und hat sich in Perth einen sehr guten Namen gemacht, dementsprechend viele Kunden hat sie.
Bevor mein Job mit ihr am Dienstag beginnt, muss aber erst mal meine Rückkehr kräftig gefeiert werden. Da ich noch kein einziges Mal mit Sandra aus war, beschließen wir in Perth etwas feiern zu gehen. Dean Sandras Freund kommt natürlich mit.
Mein Problem - ich hab nicht genug hübsche Sachen dabei und ein schönes Party-Outfit muss nun her! Man möchte sich ja schon irgendwie hübsch fühlen als Frau und nicht mit Wanderschuhen in der Disko rum hopsen – wobei ICH sowas im Notfall sogar noch bringen würde :-D!
Zum Glück gibt es da aber noch Sandra und Liz. Nach langem hin und her ist ein schönes Outfit gefunden und es geht los.



Ein Hostel direkt an der Partymeile ist schnell gebucht und schon müssen wir uns keine Gedanken mehr um den Heimweg machen.
Das Hostel ist erstaunlicherweise sehr gemütlich und nach ein paar Bier und der Bekanntschaft mit ein paar netten Franzosen geht es dann auch schon los.
Auf dem Weg muss Sandra plötzlich gaaanz dringend für kleine Mädels. Auf der "Partymeile Perths" alles andere als leicht. Die kleinen Imbissbuden haben kein Klo für Gäste und bei den Clubs muss man sehr lange anstehen und Eintritt bezahlen.
Ein nicht gut beleuchteter Parkplatz muss als Notlösung herhalten.
Zwischen 2 Autos versteckt und mich als Wachposten geht Sandra für kleine Mädels, als auf einmal das Auto direkt neben ihr per Funk aufgeschlossen wird.
Mit hochrotem Kopf flitzt sie exakt in dem Moment hinter dem Auto vor, als ein paar richtig hübsche Jungs beim Auto ankommen. Der Fahrer des Wagens schaut ihr noch verwundert nach. Auf sein Gesicht bis er die Pfütze vor seiner Fahrertür entdeckt, haben wir dann aber nicht mehr gewartet... Immer diese Klogeschichten... :-DDD!
Dank der Franzosen finden wir kurz drauf einen kostenlosen Club (ist hier eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Eintrittspreise liegen i.d.R. immer bei 20$).
Dean geht sich und Sandra etwas zu trinken holen, wärenddessen wird Sandra angemacht. Ich höre wie der Typ fragt – Hast du einen Freund? Und sie sagt: NEIN!
Mir fällt die Kinnlade runter – ja spinn ich? So betrunken kann sie doch noch gar nicht sein... Und ich sage laut: DOCH!
Er schaut verwirrt hin und her und fragt was nun? Sandra wieder laut: NEIN – Ich wieder laut: DOCH!
Ich schaue Sandra wütend an und frage: Sagmal bist du betrunken?????
Sie schaut mich grinsend an und meint: Wir sind NICHT zusammen, also wäre ein JA gelogen!
Das lässt sich ändern denke ich mir und suche Dean.
Als ich ihn finde ziehe ich ihn hinter mir her und sage nur: Da ist so n Typ der dein Mädel anmacht. Kümmer dich mal!
Dean kommt dazu und der Typ schaut wieder verwirrt – ist das jetzt nun dein Freund oder nicht?
Sandra und Dean grinsen sich an und verschwinden zusammen im Raucherbereich.
Endlich kann ich beruhigt tanzen gehen und wer rückt mir da nicht auf die Pelle?! Der Typ der Sandra zuvor angemacht hat – was für eine Pfeife!!!
Ich werfe ihm einen verachtenden Blick zu und tanze weiter für mich alleine.
Irgendwann tauchen Sandra und Dean wieder auf. Beide grinsen über beide Ohren. Sandra brüllt mir zu: JETZT sind wir zusammen!
Ich umarme beide fröhlich und schnappe mir in der nächsten Pause Dean und meine zu ihm: Hör mal, ich freu mich für euch aber wenn du Sandra das Herz brichst bekommst du es mit mir zu tun.
Dean schaut mich ernst an und meint: Und was ist wenn sie meins bricht? Mit so einer Antwort / Reaktion habe ich nun wirklich nicht gerechnet und meine nur ziemlich verwundert: Ich denke nicht dass sie das machen würde...
Die nächsten Stunden feiern wir ausgelassen zusammen und leider ist der Abend vieeel zu schnell rum.
Glücklich und müde kommen wir wieder beim Hostel an und verziehen uns ziemlich schnell in unsere Betten. Sandra und Dean schlafen zusammen im Bett über mir.
Da ich noch nicht schlafen kann suche ich verzweifelt mit meiner Handytaschenlampe meine Kopfhörer, als plötzlich die Tür aufgeht und einer der anderen Zimmergenossen ins Zimmer tapst. Er bleibt in der Mitte des Raumes stehen und glotzt zu unserem Bett.
Plötzlich faucht Sandra runter: Was zum Teufel suchst du eigentlich? Mach das Licht endlich aus, der komische Typ im Raum glotzt mich an und ich bin nackt.
Ich frage noch blöd – warum bist du denn nackt und gebe mir im gleichen Moment selbst die Antwort und muss mit lachen anfangen.
Sandra und Dean müssen auch lachen und wir können nicht mehr aufhören bis der Spanner (der mittlerweile im Bett liegt) laut RUHE auf Englisch lallt. Das hört sich sooo lustig an, dass wir einen weiteren Lachanfall bekommen. Irgendwann als die Lachtränen aus dem Gesicht gewischt sind schlafen wir alle erschöpft ein.

Am nächsten Morgen geht es zum Griechen „frühstücken“.
Leider haben die Griechischen Restaurants hier so gar nichts mit unseren leckeren Griechen gemeinsam. Ich habe Gyros mit Tsatsiki und Pommes bestellt. Was ich bekommen habe war einfach eine Art „Yufka“, also eine Rolle, mit allem zusammen gemischt. Die Portion war derart klein, dass ich immer noch Hunger danach hatte. Traurig! Das ist mir in Deutschland noch bei keinem Griechen passiert...
Als wir endlich wieder in Woodridge ankommen, wird erst mal was leckeres gekocht.
Sonntag und Montag verfliegen irgendwie und am Dienstag geht es dann endlich los mit Liz zur Arbeit.

Mit Liz zusammen arbeiten macht einfach nur Spaß. Ich habe körperlich zwar noch nie derart rangeklotzt aber der Spaßfaktor ist definitiv 100%!



Da sich einer ihrer Helfer krank gemeldet hat, sind wir nur zu zweit und gebe mein allerbestes damit wir trotzdem mit allen ihren Kunden fertig werden.
Am nächsten Morgen spüre ich ein mir bekanntes Kratzen im Hals und schmeiße mir die doppelte Menge Vitamintabletten ein. Wieder „rocken“ Liz einen Garten nach dem anderen. Abends geht es mir immer schlechter und ich verfluche mein Immunsystem.
Tatsächlich bin ich am nächsten Morgen krank. Im Bett bleiben kommt diesmal aber nicht in Frage für mich. Ich brauche das Geld und Liz wäre alleine.
Schnell Asperin Komplex reinhauen und 2 Rollen Klopapier zum Nase schnäuzen ins Auto schmeißen und los geht’s. Liz macht sich Sorgen und fragt dauernd wie es mir geht.
Als wir endlich wieder daheim sind und ich mich in mein Bett legen will, meint sie: Du schläfst heute Nacht ganz sicher nicht draußen. Du brauchst Wärme und schläfst bei mir im Bett! Wir schauen noch eine Romanze an und irgendwann schlafe ich ein. Ich schlafe erstaunlich gut trotz Erkältung und am nächsten Morgen geht es mir schon um ein vielfaches besser.
Donnerstag ist immer der längste Tag und Liz bucht Do auf Fr prinzipiell immer ein Zimmer für ihre Helfer auf einem Campingplatz.
Nach getaner Arbeit fahren wir dorthin und bringen meine Sachen unter. Was für Luxus: Ein King-Size-Bett, Bad, Dusche und Toilette im Zimmer. Und das für mich ganz alleine, denn Liz schläft bei ihrem Freund Danny.
Nachdem wir zu dritt essen waren meint Liz auf einmal: Du schläfst heute Nacht nicht auf dem Campingplatz, du kommst mit uns mit! Ich schaue verwirrt und meine: Aber du hast doch das Zimmer bereits bezahlt?! Liz: EGAL! Du schläfst heute Nacht nicht alleine und krank auf dem Campingplatz. Wir holen deine Sachen und du schläfst bei uns im Haus.
Gerührt nehme ich an, zumal wiedersprechen keinen Sinn gemacht hätte. Meine liebe Liz wird immer mehr zu meiner „Aussie-Mum“.
Am nächsten Tag, arbeiten wir nicht so lange und kommen bereits gegen 14 Uhr zurück. Völlig baff stelle ich fest, dass ich GESUND bin! Pünktlich zum Wochenende. Das war definitiv die kürzeste Erkältung meines Lebens und das obwohl oder gerade weil ich nebenher gearbeitet habe... Australien scheint meinem Immunsystem unglaublich gut zu tun :-)!

Am Samstag kommt ein Freund von Sandra zu Besuch - Sebastian. Ein sehr lustiger Kerl. Da das Sofa im Wohnzimmer zum schlafen extrem ungemütlich ist, biete ich ihm spontan an dass er bei mir schlafen kann. Als einzige Backpackerin habe ich ein Doppelbett für mich alleine. Platz genug also und Sebastian bleibt wie erwartet anständig. Am nächsten Tag fahren wir nach einem schönen gemeinsamen Frühstück alle mit seinem Geländewagen an den Strand.





Die kommende Woche verfliegt wie der Wind. Tagsüber arbeiten mit Liz – abends mit den Backpackern zusammen sitzen und essen.



Am Samstag begleitet mich Liz zu ihrer Nachbarin. Liz hat mir ein Reitmöglichkeit organisiert.
Das Pferd heißt Oscar. Ein sehr untypischer Name für ein Aussie Pferd...
Die Besitzer haben nicht viel Zeit für Oscar und das letzte mal wurde er vor 4 Monaten geritten. Ich werde hellhörig und schlage vor, erst mal etwas zu longieren damit er Power loswerden kann bevor ich aufsteige.
Wie sich zeigt eine sehr gute Idee, denn der gute Oscar tobt sich erst mal kräftig aus und ist nach 15 Minuten klatschnass geschwitzt.
Ich überlege kurz, steige dann aber letztendlich doch noch auf. Oscar lässt sich für so viel angestaute Energie gut reiten. In der Kurve missverstehen wir uns jedoch und er macht einen Satz. Einen Satz mit dem ich nicht gerechnet habe und es haut mich komplett aus dem Sattel voll auf den Kopf. Zum Glück gibt es Reithelme.
Es kommen alle erschrocken angerannt und ich rufe gleich: Alles ok, mir geht’s gut.
Noch etwas benommen steige direkt wieder auf und probiere das ganze gleich nochmal. Diesmal klappt alles.
Oscar ist für 4 Monate nicht geritten unglaublich lieb und seine gelegentlichen Sätze stecke ich gut weg. Leider stolpert der arme Kerl am Schluss noch einmal richtig und landet nicht etwa auf den Knien sondern komplett auf dem Brustbereich.
Liz springt gerade noch zur Seite sonst wäre Oscar voll auf ihr gelandet.
Merkwürdigerweise habe ich mich auf Oscar gehalten und bin kein zweites Mal gestürzt.
Vielleicht sollte ich mich statt aufs „Klassische Reiten“ auf Westernreiten spezialisieren?! Scheint mir ja scheinbar irgendwie zu liegen.
Mein Kopf dröhnt auf jeden Fall und meine Beine sind überseht mit blauen Flecken. Mit weg gehen ist an diesem Wochenende sicher nichts.
(Da Sebastian die Woche drauf abreist wollten wir eigentlich alle zusammen in Perth feiern gehen.)
Dann gibt es eben ein ruhiges Wochenende - DENKSTE!
Als wir am Sonntag alle zusammen sitzen, kommt das Gespräch auf einen Arzt-Termin von Liz den sie am Montag hat. Einer der Backpacker wird direkter und fragt was sie genau hat.
Ich reg mich innerlich schon etwas über die Dreistigkeit auf, als Liz plötzlich eine Bombe platzen lässt und uns allen mitteilt, dass sie Krebs hat und das bereits das zweite Mal. Alle schauen sich geschockt und betroffen an. Ich muss mich schwer beherrschen nicht in Tränen auszubrechen und nehme die lachende und beschwipste Liz in Arm.
Liz ist immer gut gelaunt und immer am lachen. Sie genießt jeden Tag und lebt ihr Leben so normal wie es geht weiter. UNSER HULK LIZ! Noch nie hab ich so eine Powerfrau kennen gelernt! Keiner von uns!
Da sie Montag wohl auch eine Chemo kriegen soll, biete ich sofort an sie in die Klinik zu fahren und sie zu begleiten.
Der Abend endet trotz der Hiobsnachricht sehr feuchtfröhlich und als alle in ihren Betten liegen überkommt es mich dann doch und ich muss heulen wie ein Schlosshund. Zum Glück schläft Sebastian bereits und kriegt nix mit.
Ich verziehe mich wieder auf die Terasse und gebe mir mit dem restlichen ekelhaften „Wein“ Goon die „Kante“. Irgendwann lege ich mich gut betrunken hin und kann zum Glück noch etwas schlafen.
Am nächsten Morgen verspreche ich mir selber, dass ich meine Emotionen runterschrauben und meine eigenen Gefühle etwas verdrängen muss. Liz braucht keine traurigen und depressiven Gestalten oder Mitleid. Sie braucht Spaß, Ablenkung und Menschen die wirklich für sie da sind!

Am späten Vormittag geht es dann zum Krankenhaus. Die Fahrt ist sehr entspannt und wir haben wie immer eine Menge Spaß zusammen.
Wärend der Chemo warte ich draußen und stelle mich schon auf das schlimmste ein. Um so erstaunter bin ich, als nach einer Stunde Liz putzmunter auftaucht.
Schnell klärt sie mich auf, dass sie keine Chemo bekommen hat, stattdessen gab es ein Gespräch über eine OP die ihr Leben wohl noch deutlich verlängern könnte. Gute Nachrichten.

Sehr gute wird es leider trotzdem nicht mehr geben...

Am nächsten Tag arbeiten wir wieder wie gewohnt miteinander.
Mittwoch bekomme ich von der Hühnerfarm plötzlich einen Anruf, dass sie jemanden brauchen und ich am nächsten Tag um 08Uhr vorbeikommen soll.
Das sind natürlich unglaublich tolle Nachrichten, da ich endlich anfangen muss/möchte für mein second year visa zu arbeiten.
Liz bietet mir ihren Zweitwagen an um zur Arbeit zur kommen, was ich dankend annehme.

Rechtzeitig fahre ich los, wäre da nur nicht diese verfluchte Öllampe die plötzlich aufleuchtet...
Ich kenne mich mit Autos nur begrenzt aus, aber eines weiß ich Öllampe an – Auto sofort aus, sonst droht ein teurer Motorschaden.
Da ich mitten auf dem Highway nicht einfach stehen bleiben kann, fahre ich von der Straße ab auf ein Privatgrundstück.
Noch 10 Minuten dann müsste ich eigentlich auf der Hühnerfarm sein... so eine verfluchte Sch....! Erster Tag und prompt zu spät... das ist so gar nicht meine Art!
Der Supervisor von der Hühnerfarm ist auch nicht begeistert als er hört dass ich zu spät komme und meint nur: ok wir warten noch 10 Minuten. Die Botschaft ist klar und deutlich – bin ich dann nicht da, kann ich mir den Job „schenken“.
Sandra fährt nach meinem Anruf sofort los um mich abzuholen.
Außerdem bitte ich sie Öl fürs Auto zu organisieren und später Liz zu informieren was Sache ist.
Währenddessen checke ich das Grundstück ab und suche nach jemanden um Bescheid zu geben, dass ich das Auto vorübergehend hier stehen lassen muss. Ich klopfe, keiner öffnet. Ich laufe ums Haus rum und stehe plötzlich vor einem riesigen nicht angeleinten Hund der mich ohne Regung anstarrt und keine 2 Meter vor mir steht.
Erschrocken brauche ich einen kurzen Moment um mich zu fassen und rede dann ruhig auf ihn ein. Viele der Australischen Hunde sind nicht oder nur wenig erzogen und bewachen einfach nur das Grundstück. Einem solchen Hund sollte man also sicher keine Angst zeigen.
Der große und sehr kräftige Kerl, eine Art Dogge, kommt auf mich zu und beschnüffelt mich nervös. Ich bleibe ruhig und streichle seinen Kopf.
So geheuer ist mir das nicht und ich bin froh als er von mir ablässt.
Auch nach mehrmaligen Rufen öffnet niemand.
Ich gehe vor an die Straße um auf Sandra zu warten. Der Hund lässt mich keine Sekunde aus den Augen und begleitet mich zur Straße. Mehrmals muss ich ihn zurück scheuchen damit er nicht einfach auf dem Highway rumspaziert. Zumindest hört er gut auf mich.
15Minuten später komme ich endlich auf der Farm an und renne ins Personalbüro und gehe davon aus, dass ich eh gleich wieder gehen kann.
Die Personalchefin Candy begrüßt mich jedoch sehr freundlich und nachdem ich mich überschwenglich entschuldigt habe, soll ich mir 4 Videos über den Umgang mit Hühnern ansehen. Von meinem Supervisor Tiaan keine Spur.
Das letzte Video mit dem Titel „Kill chickens“ muss ich nicht anschauen.
Ein anderer Backpacker hat mir bereits von der Gasanlage berichtet und wie er an einem Tag 7000 Hühner gekillt hat. Frauen werden für diese Art von Job bewusst nicht genommen.
Was genau ich zu tun haben werde, weiß ich aber immer noch nicht!
Etwas flau ist mir schon im Magen..., aber für Zweifel ist keine Zeit, denn direkt nach den Videos wird mir ein Stapel Dokumente inkl. Arbeitsvertrag zum Unterzeichnen vorgelegt. Kurz drauf lerne ich meinen Supervisor Tiaan kennen.
Er bringt mich in die Umkleide-Räumlichkeiten und ich soll mich richten.
Irgendwelche Erklärungen – FEHLANZEIGE.
Da ich durch eine „Dusch-Anlage“ muss, gehe ich davon aus, dass ich mich duschen muss. Ob ich auch meine Haare waschen muss, wo ich meine Sachen lassen kann, ob ich diese mitnehmen kann, ob ich meine eigene Unterwäsche tragen darf... Fragen über Fragen und keiner der mir irgendetwas erklärt...
Ich entscheide mich, meine Unterwäsche mitzunehmen, damit ich auf der anderen Seite nicht plötzlich splitterfasernackt vor meinem Supervisor stehe.
Auf der anderen Seite, entdecke ich Handtücher und Arbeitskleidung. Schnell in irgendwelche Sachen geschlüpft, erwartet mich mein Supervisor in der Küche um mir meine Arbeitsschuhe, Handschuhe, Atemschutz und Schutzbrille zu geben.
Für was zum Teufel ne Schutzbrille? Atemschutz? Auwaia worauf hab ich mir hier nur eingelassen!
Er stellt mich meiner Kollegin vor, die mich einweisen soll: Branda.
Auf geht’s zur Halle Nummer 2!
Die Schuhe schnell noch desinfizieren und schon geht das Tor zur Hühnerhölle auf.
Zigtausend Hühner in extrem enge Käfige gequetscht, auf dem Boden mehrere Haufen toter Hühner. Apathisches Hühnergurren, ohenbetäubender Lärm der Lüftungsanlage, beißender Verwesungsgestank mit dem Gestank von Hühnerscheiße vermischt. Die Luft so staubig, dass man Schutzbrillen und Atemmaske tragen MUSS!
Dagegen ist die Feinstaubbelastung durch Diesel Autos bestimmt ein Witz...
Eine Halle füllt 5 Reihen Käfige, etwa 150 Meter lang und 6!!! Stockwerke hoch.
Wieviele tausende Hühner hier eingesperrt sind? Ich weiß es nicht. Mein Herz rast und ich würde am liebstend schreiend rausrennen aber ich reise mich zusammen.
Als ich von Branda erfahre was genau mein Job ist, wird mir immer schlechter.
Ich soll der Henker sein, durch die Reihen gehen und die kranken Hühner auswählen und töten soll. Zwar töte ich keine 7000 Hühner wie mein Kollege in der Gasanlage aber trotzdem kommt das überhaupt nicht in Frage für mich!
Du stirbst – RIP, du auch – RIP – du bist die nächste Henne... RIP... usw. usw. usw. No way!
Branda merkt das etwas nicht stimmt und bietet mir freundlicherweiße an, ich soll nur auswählen und sie dann rufen, sie tötet dann für mich die Henne - das sei gar kein Problem.
Ich werde eingewiesen wie die Lüftungsanlage, die Wasser und Futteranlage funktionieren und wie ich Druck und Temparatur zu messen habe, dann geht es weiter.
Unter meiner Schutzbrillle laufen mir die Tränen runter während wir den Flur durchlaufen um ans andere Ende zu kommen. NOCH NIE habe ich so etwas entsetzliches gesehen. Die Blicke der Tiere – sie sind leer! Zum Teil stehen sie aufeinander. Sie gurren nur noch auf einer bestimmten Frequenz. Das Geräusch was sie von sich geben ist beängstigend.
Zumindest sehen die Tiere für diese grauenvollen Verhältnisse recht gesund aus. Keine zerrupften Hühner oder Tiere mit Verletzungen wie man es von anderen Massentierhaltungsanlagen kennt, wo die Hühner mit vereiterten Wunden und gebrochenen Flügeln rum rennen. Klar – kranke und schwache Tiere werden hier sofort rausgeholt und gekillt.
Ich weiß wie man Kühe, Schweine und Hühner schlachtet. Ich finde wer Fleisch isst, sollte so etwas wissen bzw. gesehen haben. Aber es ist etwas komplett anderes ein Video darüber zu sehen oder plötzlich zwischen geschätzt 10.000 Hühnern zu stehen und ihr Leid live zu erleben.
Zum Glück kann Branda unter meinem Atemschutz und meiner beschlagenen Brille die Tränen nicht sehen.
Die nächsten Stunden verbringe ich mit Hühnerscheiße putzen. Die Anlage transportiert den Kot der Hühner immer ans Flur-Ende wo sie sich staut und mühevoll aus der Käfig-Konstruktion rausgekratzt bzw. geschabt werden muss.
Zum Glück lenkt mich die körperlich anstrengende Arbeit ab.
Als es Zeit für die erste Pause ist, spreche ich Branda offen an und teile ihr mit, dass ich diesen Job nicht machen kann und ihre Zeit nicht weiter vergeuden möchte.
Sie schaut mich verwundert an und meint nur, bist du dir sicher? Es wird leichter mit der Zeit... Sie versucht mich zu überreden, merkt aber schnell dass es nichts bringt.
Obwohl es mir unglaublich beschissen geht, tut es doch sehr gut gleich mehrfach von ihr gelobt zu werden. Branda ist so zufrieden mit meiner Arbeit, dass sie mit zum Chef kommen möchte und für mich ein gutes Wort einlegen möchte.
Ich gehe ins Chefbüro zum arroganten Supervisor und erkläre ihm meine Situation und Entscheidung.
Da ich eigentlich auf irgendeinen Job hier angewiesen bin zwecks Visa, schiebe ich es auf die toten Hühner die überall rumlagen und nicht auf die Gesamtsituation.
Er schaut mich an und bringt einen völlig absurden Vergleich: „Ja weißt du, wenn man zum Bsp. mit einer Million Menschen zusammen arbeiten würde, würde man da sicher auch ein paar tote Menschen sehen... Das gehört eben dazu.“ Was für ein völlig hirnloser und unverhältnismäßiger Vergleich!
Er meint außerdem, dass es sonst keine freien Stellen gibt und wenn ich will, kann ich natürlich auch gleich gehen. Da bringt auch ein gutes Wort von Branda nix wenn es keine freien Stellen mehr gibt.
Früher wäre ich sofort gegangen und hätte mich hinterher hundeelend und als "Komplettversager" gefühlt.
Heute sage ich zu diesem arroganten Vollidioten - Danke für alles - und dass ich meine Arbeit beeenden möchte und erst dann gehen werde.
HIER gehe ich mit erhobenen Kopf raus und nicht anders!

Als ich dann draußen in der Runde rum Mittagstisch sitze und Shenan eine der Backpackerinnen aus unserem Haus in Woodridge zu mir kommt und mich umarmt, bekomme ich trotzdem nochmal feuchte Augen.
Immerhin verliere ich durch meine Entscheidung auch die letzte Chance auf mein second year visa hier in Woodridge.
Wenn ich meine 3 Monate Farmarbeit noch machen möchte, muss ich das irgendwo anders in Australien machen.
Nach einer Cola habe ich mich wieder gefasst und unterhalte mich mit den anderen. Kurz vor Pausen-Ende kommt der Supervisor zur Tischrunde dazu. Er fragt mich noch mal ob ich sicher bin, dass ich nicht heim gehen möchte.
Ich schaue zu Branda, stehe auf und meine nur lächelnd: Nein, ich beende meine Arbeit hier!
2 Leute klatschen auf einmal und ich laufe mit Branda zur Halle...

Die nächsten 3,5 Std lasse ich meine Wut und meine Traurigkeit an der Hühnerscheiße aus und die Zeit verfliegt wie im Flug.
Branda umarmt mich beim Abschied und meint nur: Du hast unglaublich gute Arbeit geleistet, schade das du gehst!
Wie Honig läuft das runter und ich danke auch ihr für alles und meine es in ihrem Fall sogar ernst!
Als ich wieder durch die Dusch-Anlage gehe, wird mir schlecht als ich die braune Brühe sehe die ich mir abwasche. Staub und Scheiße! ÜBERALL...in meinen Haaren und in meinem Gesicht. Widerlich und nicht mal gescheites Shampoo gibt es.
Daheim angekommen gehe ich als erstes gleich noch mal unter die Dusche. Als ich mich raus zu Sandra und Dean setze, schaue ich in 2 gestresste Gesichter und die 2 erzählen mir von der komplizierten Auto-Aktion. Dieser furchtbare Tag will einfach nicht enden. Sandra und Dean hatten wegen dem blöden Auto den mega Stress und sind ziemlich generft. Die Grundstückbesitzerin hat wohl wütend bei Liz angerufen und gefragt was das (scheiß) Auto auf ihrem Grundstück macht.
Liz hat dann bei Sandra angerufen und nachgefragt was los ist.
Sandra hat ihr alles erklärt und dann mit Dean Öl nachgefüllt. Problem - Dean hat keinen Führerschein und sie mussten die Autos irgendwie vom Grundstück bekommen.
Heißt Sandra musste Dean "mal kurz" beibringen wie man schaltet und kuppelt. Trotz allem Stress muss das wohl ziemlich lustig ausgeschaut haben. Immerhin etwas....
Das Ende vom Lied: Die Frau hat mitbekommen, dass Dean nicht fahren kann und hat das Auto freundlicherweise zurück gefahren.
In der Erwartung, dass Liz stinksauer auf mich ist, rufe ich sie an.
Ich erzähle ihr die ganze Geschichte und entschuldige mich bei ihr. Zum Glück ist sie nicht sauer und meint stattdessen, ich hätte alles richtig gemacht und sie hätte sich Sorgen gemacht ob ich noch rechtzeitig zur Arbeit gekommen bin.
Meine liebe Liz schafft es in einer Minute meine Stimmung wieder deutlich zu heben. Als sie dann noch meint, dass die wütende Frau vom Grundstück mal dringend wieder guten Sex braucht, kann ich auch schon wieder lachen.
Liz meint noch, ich soll bei ihr im Zimmer mit dem Hund schlafen und mich entspannen, da sie eh nicht da ist. Die gute Liz weiß was man nach so einem scheiß Tag braucht. Einen Tee, ein warmes Bett und einen kuschelnden Hund .-).
Glücklich und erschöpft lege ich mich in ihr Bett und freue mich schon eine Folge meiner Serie anzuschauen als das Internet abstürzt.
Da ich nicht daran glaube, dass dieser Tag noch besser wird, entscheide ich mich dazu einfach schlafen zu gehen. An manchen Tagen ist das tatsächlich das Beste.

Am nächsten Morgen geht es wieder früh um halb 6 raus.
Ich habe mich am Vorabend noch spontan dazu entschlossen, noch einmal ins Personalbüro der Hühnerfarm zu gehen und noch einmal persönlich zu fragen ob es sicher keine alternative Stelle gibt. Meinem arroganten Supervisor traue ich nämlich alles zu, auch dass er mir einfach nichts anderes anbieten wollte.
2 Backpacker aus unserem Haus nehmen mich mit und ich warte und friere 1,5 Std. vor dem Personalbüro bis die Chefin endlich auftaucht.
Candy begrüßt mich, wirkt aber sehr distanziert und möchte sofort wissen was ich will.
Ich bitte sie um ein kurzes Gespräch im Büro und sie willigt ein.
Nachdem ich ihr meine Ansicht erklärt habe und den Grund für meine Entscheidung, wird sie während des Gesprächs immer freundlicher und meint am Schluss, sie könne mich gut verstehen, sie selbst könne niemals hinten in den Hallen arbeiten- Leider ist in den Verpackungs-Abteilungen aktuell nichts frei, aber sie wird schauen ob sie etwas für mich tun kann. Volltreffer! Genau das wollte ich.
Nebenher erwähnt sie noch, dass Tiaan mein arroganter Supervisor bereits gestern für mich gefragt hatte. Hätte ich ehrlich gesagt nicht von ihm gedacht nach seinem Verhalten.
Evtl. wurde er doch noch durch Branda umgestimmt, wer weiß...

Gut gelaunt laufe ich die 8 km nach Woodridge zurück und gönne mir ein richtig leckeres Frühstück. Am Abend kommen Liz und Sebastian von der Gartenarbeit zurück (Sebastian hat Liz 2 Tage unterstützt um sich noch etwas Geld für seine Reise nach Darwin zu verdienen) und wir feiern etwas zusammen.
Liz erwähnt irgendwann, dass sie ein Fotoshooting gewonnen hat und fragt mich plötzlich ob ich sie am nächsten Tag begleiten würde. Und ob ich das würde! Nichts lieber als das!

Am nächsten Mittag geht es aufgebrezelt los und wir gehen noch Schmuck und Kleidung fürs Fotoshooting shoppen. Danach gehen wir noch lecker Essen und einen Wein zum locker werden trinken.
Als wir im Fotostudio ankommen, bekommen wir gleich mal einen Sekt in die Hand gedrückt und Liz wird gestylt. Fängt ja schon mal gut an :-)!
Liz fragt die Stylistin ob sie mich auch schminken würde, sie würde es auch bezahlen. Die Stylistin winkt ab und meint, kein Problem mache ich gerne. Mein Herz hopst schon wieder vor Freude.
Als ich fertig bin, fühle ich mich nicht wie ein Backpacker sondern wie ein Model :-D!
Mit Liz die Fotos zu machen ist unglaublich lustig und macht uns beiden gleichermaßen Freude.

Hier die Bilder vom Fotoshooting:



















Der Tag geht leider viel zu schnell vorbei und als wir abends wieder nach Woodridge zurück kommen, wird mit den anderen Backpackern bis spät in die Nacht gefeiert.

Am Sonntag wollen Liz und Sebastian noch eine „Abschieds“- Offroad-Tour machen und fragen mich ob ich mit möchte. Sandra und Dean möchten stattdessen lieber in die Stadt.
Ich sage sofort zu und gegen Mittags geht es los. Meine erste 4WD Tour in Australien – HAMMER! Liz und ihr Freund fahren voraus, ich fahre bei Sebastian mit.
Sebastian ist ein unglaublich guter Fahrer und es macht wahnsinnig Spaß durch Sandhügel, über Steine und Büsche zu heitzen.
Zwischendurch müssen wir immer wieder Luft aus den Reifen ablassen um weiter zu kommen.
Als wir am größten Sandberg ankommen, brauchen wir um die 10 Anläufe und 2 mal Luft ablassen bis wir es endlich schaffen oben anzukommen und da ist es dann: DAS MEER!!!
Wir sind tatsächlich mitten durch den Busch ans Meer gefahren. Damit hat weder Sebastian noch ich gerechnet und wir freuen uns dementsprechend.
Noch etwas Wein von Liz für mich und dann geht es auch schon wieder zurück.
Was für ein traumhaft schöner Ausflug.



















Zum Abschied kochen wir noch einmal richtig groß zusammen und feiern entsprechend.

Am nächsten Tag spüre ich die Konsequenzen der letzten 3 Tage feiern und muss erst mal ne Aspirin nehmen.
Nach einem Katerfrühstück helfe ich Sebastian noch seine Bewerbungsunterlagen auf Englisch zu erstellen und auf einmal bimmelt mein Handy – eine SMS von der Hühnerfarm. Keine 3 Tage nach meinem Gespräch schreibt mir Candy sie möchte mir einen Job in der Verpackung anbieten. Morgen um 6 Uhr geht es bereits los.
Kreischend vor Freude renne ich durchs Haus. Meine Ehrlichkeit und mein Durchhalten hat sich ausgezahlt! Liz und Sebastian umarmen mich und freuen sich sichtbar für mich mit.
Leider müssen wir uns kurz drauf alle von Sebastian verabschieden. Er fährt weiter nach Darwin und wird nun seine eigenen Abenteuer erleben. Vielleicht trifft er ja meine 2 Freunde in Darwin – Tim und Jack mit denen ich übrigens noch regen Kontakt halte :-D.

Am nächsten Morgen heißt es für mich um 5:15 aufstehen und um 6 mit arbeiten anfangen. Eier verpacken hört sich irgendwie so nach nix an, ist aber die härteste Arbeit die ich jemals gemacht habe. Gartenarbeit mit Liz, Hühnerscheiße schrubben und abkratzen, Schichtarbeit – alles LAPALOMA.
Bereits nach 3 Stunden schmerzt mein Rücken so sehr, dass ich meinen Schmerztablettenvorat plündern muss.
Zum Glück gibt es da Chiara. Meine erste Italienerin die ich hier kennen lerne.
Es macht soooo Spaß endlich mal wieder Italienisch zu sprechen. Auch nach über 4 Monaten tuhe ich mich immer noch unglaublich schwer mit der Englischen Sprache... um so schöner ist es, sich mal wieder normal unterhalten zu können.
Um 16:30 ist mit Eier verpacken Schluss und dann heißt es putzen und schrubben. Der Boden, die Maschinen, die Bänder ja einfach alles, denn überall sind Eier die beim Verpacken runtergefallen sind oder von der Maschine zerstört wurden. 20 Leute schrubben die Halle auf Hochglanz.
Tatsächlich ist das putzen jedoch der entspannteste Teil des Jobs und nach 1,5 Stunden putzen ist um 18 Uhr nach 11 Stunden Knochenarbeit endlich Feierabend.
Auf dem 10 Minuten Heimweg schlafe ich auf dem Rücksitz in Sandras Auto ein.
Daheim angekommen dusche ich und richte mich sofort fürs Bett. Ich bin sogar zu kaputt um mir was zu essen zu machen, aber da gibt es ja noch meine liebe Liz, die zu mir kommt und plötzlich meint: Ich habe für uns beide gekocht und du schläfst heute bei mir im warmen Bett. Da fehlen mir mal wieder die Worte... Dank einem leckeren Essen und genug Schmerztabletten kann ich einigermaßen gut schlafen.
Am nächsten Morgen wieder das gleiche Spiel. Um viertel nach 5 raus und um 6 mit Arbeiten anfangen.
Mein Rücken schmerzt so sehr, dass ich bevor ich überhaupt mit arbeiten anfange schon 2 Ibus schlucken muss. Ohne Schmerztabletten wäre an weiterarbeiten nicht mal eine Sekunde zu denken.
Zum Glück geht auch dieser Tag irgendwann vorbei und meine liebe Liz kocht schon wieder für mich und lädt mich schon wieder ein in ihrem Bett zu schlafen.

Am dritten Tag auf der Hühnerfarm versuche ich es trotz Rückenschmerzen ohne Schmerztabletten und tatsächlich spüre ich eine leichte Besserung.
Glücklicherweise ist früher schluss und nach „nur“ 10 Stunden Arbeit geht es nach Hause.
Liz ist die nächsten 2 Tage nicht da und sie meint nur zu mir: Mein Zimmer ist deins! Schlaf ruhig bei mir!
Heißt wieder mal im warmen schlafen und mal richtig schön Ausschlafen – Wahnsinn!!!
Mein Engel Liz!
Am nächsten Tag habe ich frei und schlafe dementsprechend aus.
Zum allerersten mal schlafe ich in Australien bis 11:30Uhr.
Mein Körper scheint es wirklich gebraucht zu haben...
Hoffentlich wird die zweite Woche weniger angestrengend...
Morgen geht es erst mal in die Stadt Sandra zum Friseur begleiten und vielleicht bekomme ich Gelüste und lasse auch etwas mit meinen Haaren machen...

3 MONATE AUSTRALIEN!!!!!!!!

Am 09.08.2017 hatte ich mein 3-monatiges Jubiläum hier in Australien.
Über 3 Monate sind schon rum... ich fasse es immer noch nicht.... Eigentlich wäre ich schon seit über 3 Wochen wieder in Deutschland....

Was ich im Alltag sehr vermisse:

1, Gesundes Essen (Obst und Gemüse sind hier extrem teuer, Nüsse unbezahlbar (eine kleine Packung Pistiacien 18$). Bio, Demeter und Fairtrade gibt es hier sogut wie gar nicht. Das Bewusstsein für gesunde Ernährung scheint hier erst sehr sehr langsam zu entstehen.
2. Nach wie vor mein Trampolin
3. Ruhige Filmabende
4. Meinen Kleiderschrank – ich habe definitiv VIEL zu wenig schöne Kleidung mitgenommen.

Was mir generell fehlt:
5. logischerweise meine Familie inkl. Hund & Pferd und meine Freunde

Man kann es immer noch an einer Hand abzählen und ich bin nach wie vor unglaublich glücklich hier. Seit Wochen mache ich mir deshalb intensiv Gedanken wie mein Leben weiter gehen soll und vor allem wo.
Bis auf die Ostküste habe ich schon einen Großteil von Australien zu sehen bekommen und ich könnte mir bis auf Darwin überall vorstellen zu leben. Die Mentalität, die Natur, die Tiere, die Menschen, das Wetter und ganz klar die Lebenseinstellung hier, haben mich einfach von der ersten Sekunde an in ihren Bann gezogen.
Australien erinnert mich in vielen Dingen sehr an Italien. Vermutlich fühle ich mich auch deshalb so wohl hier...
Es mag sich für viele von euch merkwürdig anhören aber ich war in Deutschland nie wirklich glücklich, habe mich nie wirklich daheim gefühlt. Vermutlich bestand ich deshalb auch immer darauf, dass ich mehr Italienerin bin als Deutsche...
Auf jeden Fall hat mir immer irgendetwas gefehlt.
Deshalb habe ich für mich entschieden, dass ich um die „Permanent residence“ in Australien kämpfen werde. Einige von euch haben es sich sicher schon gedacht oder von Anfang an vermutet, aber ich musste mir erst mal selber darüber klar werden, was ich wirklich möchte.
Dazu kommt, dass es mittlerweile unglaublich schwer geworden ist dauerhaft in Australien zu bleiben (was ich gut finde!!!) - aber ich will es versuchen!
Das steht nun definitiv fest.

Da ich immer gerne einen Plan B habe, steht für mich außerdem fest, sollte ich es nicht schaffen das Visum zu bekommen, dass ich zu meiner Familie nach Italien ziehen werde und mein Weg dort irgendwie weitergehen wird.
Diese Entscheidung hat natürlich weitgreifende Folgen. Egal wo ich hinziehe bzw. letztendlich bleiben werde - mir ist durchaus bewusst, dass ich vermutlich einige Freunde verlieren werde, es schwieriger sein wird mit mir in Kontakt zu treten bzw. Kontakt zu halten, ich meine lieben Freunde deutlich seltener sehen werde (vermutlich nicht öfter als 1-2 mal pro Jahr, aber egal wie sehr ich meine Freunde auch liebe:
Jeder von uns hat nur ein einziges Leben und meinen Weg nach dem meiner Freunde zu richten halte ich für falsch. Jeder von uns sollte dort leben wo er glücklich ist und wenn das über 14.000km entfernt ist, dann ist das eben so, so traurig das sicher noch sein wird...

Ihr fragt euch jetzt sicher was ist mit Diego?
Dazu kann ich sagen, dass mein Kampf für die "Permanent residence" mit der Entscheidung ihn wegzugeben begonnen hat.
Viele von euch werden jetzt entsetzt sein und sich denken: Was macht das Mädel denn da nur für einen Scheiß? Und wie konnte sie nur? Sie hat ihn doch so geliebt? Ich könnte so etwas niemals tun... usw usw usw.
Deshalb möchte ich euch diese Entscheidung kurz erläutern:
Diego ist meine große Liebe und nur wenige von euch können sich vorstellen wie sehr ich diesen kleinen Kerl wirklich liebe. Genau das war letztendlich auch der Grund meiner Entscheidung!
Diego ging es in den letzten Jahre nicht sehr gut. Ständig hatte er Magenprobleme, Durchfall, merkwürdige Krankheiten, musste dauernd brechen und ständig zum Tierarzt, war eigentlich permanent unzufrieden/unruhig und dauernd krank - wie ich!
Ich habe immer mein bestes gegeben damit es ihm gut geht, habe das beste Futter gekauft, mich schlau in Naturheilkunde für Hunde gemacht, extra einen Job in der Nähe angenommen, damit ich in den Mittagspausen zu ihm nach Hause kann und ihm keinen verrückten Hundesittern mehr aussetzen muss usw usw usw.
So gut ich es konnte, habe ich die letzten Jahre mein Leben komplett nach ihm gerichtet. Ging es ihm dadurch besser? NEIN!
Selbstverständlich haben hier sicher auch die zig Wohnungswechsel und das ständige auf und ab mit Benny und mir eine große Rolle gespielt.
Es hat mir unglaublich weh getan zu sehen, dass es ihm nicht gut geht, obwohl ich alles erdenkliche versucht habe, damit er glücklich ist.
Meine Hundesitterin und mittlerweile auch gute Freundin Lena bekommt das ganze Geschehen jetzt schon ein paar Jahre mit und während meiner Zeit bei Vitra habe ich ihn immer zu ihr gebracht. War ich am Anfang noch sehr misstrauisch durch die ganzen schlechten Erfahrungen mit anderen Hundesittern, hat sie bzw Diego mich schon nach kurzer Zeit vom Gegenteil überzeugt. Diego ist bei ihr im wahrsten Sinne des Wortes aufgeblüht und hat sich von der ersten Sekunde pudelwohl bzw. podencowohl gefühlt.
Nach kurzer Zeit ist er Abends wenn ich zum Abholen gekommen bin, nicht mal mehr aufgestanden. War Lena da – war Diego glücklich. Einen größeren Beweis für ihr Können brauche ich nicht.
Deshalb viel meine Entscheidung bei der Suche nach einem Hundesitter für meinen Australientrip logischerweise auch sofort auf sie.
Die Bilder die ich die letzten Monate immer wieder von ihr bekommen habe, erzählen eine komplett fröhliche und wunderschöne Geschichte von Diego.
Diego ist angekommen. Er ist gesund, hat keinerlei gesundheitliche Problem mehr, jagt keine Katzen mehr (wie zum Teufel sie das hinbekommen hat weiß ich beim besten Willen nicht...) er ist verliebt und unglaublich verrückt nach dem Zweithund der Familie namens Ella und liebt die beiden Söhne.
Er darf aufs Sofa zum kuscheln, in die Betten der Jungs zum knuddeln, bekommt mehr Auslauf als ich ihm jemals zukommen lassen könnte, ist so gut wie nie alleine und er wird von der ganzen Familie geliebt. Er ist DAHEIM!

Behalte ich ihn gibt es 3 Möglichkeiten:
1. Ich bleibe hier in Australien und hole ihn nach. Extremer Stress durch die 2 Tage lange Reise mit anschließender wochenlanger Zwangs-Quarantäne wo er alleine, eingesperrt und von fremden Menschen versorgt keinen Besuch von mir empfangen darf.
Danach: Neue und deutlich gefährlichere Natur durch Schlangen und Spinnen, extremer Klimawechsel und wieder eine ungewohnte Umgebung. Dazu kommt, dass ich ihn hier tagsüber wenn ich arbeite wieder neuen Hundesittern aussetzen müsste.
Fühlt er sich dann hier nicht wohl, geht es gerade wieder zurück, die ganze Tortur retour.
2. Ich ziehe nach Italien, nehme ihn mit dorthin. Das bedeutet ich kann nicht bei meiner Familie wohnen, sondern brauche eine eigene Wohnung, denn meine Oma hat eine Katze und mein Vater ist hochallergisch gegen Hundehaare. Wie finanziere ich dann eine eigene Wohnung? In Italien gibt es kein Arbeitslosengeld wie bei uns. Was wenn ich Arbeit gefunden habe? Wieder ein neuer und evtl beschissener Hundesitter? Dann je nachdem wo ich wohne, keinen Auslauf im Grünen sondern mitten in der Stadt?
Ein hundefreundliches Leben sieht anders aus.
3. Ich warte ab und zahle die nächsten 1,5 Jahre weiter wie bisher jeden Monat 650€ für ihn. Das ist für mich so einfach nicht mehr weiter tragbar.

In jedem Fall würde ich ihn wieder aus wirklich stabilen und schönen Verhältnissen raus reißen was ihm sicher nicht gut tun würde.
Viele von euch haben mich für verrückt gehalten soviel Geld für „einen“ Hund zu zahlen. Aber genau das macht meine Liebe zu ihm aus. Ich wollte das Beste für ihn und er hat es bekommen!
Ihn in eine Pension oder geschweige ins Tierheim zu geben wäre für mich NIEMALS in Frage gekommen.
Hätte ich auch nur eine Sekunde daran gezweifelt, dass es ihm gut geht wäre ich ins nächstbeste Flugzeug gestiegen und umgehend zurück gekommen egal was es mich gekostet hätte!
Und das hat sich nicht geändert. Ich liebe Diego nach wie vor, werde ihn auch auf jeden Fall wiedersehen und einen Vertrag mit den neuen Besitzern machen. Diego wird niemals! in einem Tierheim landen oder sonstiges. Davor werde ich zurück kehren und ihn wieder zu mir holen.
Aber mal ganz ehrlich – würde ich auch nur eine Sekunde daran zweifeln dass er es dort wo er jetzt ist nicht wirklich gut hat, würde ich ihn niemals weggeben!
So, und nun habe ich meine Entscheidung denke ich genug gerechtfertigt :-)! Wer immer noch nicht überzeugt ist, hier noch ein paar Bilder:








Ella und Diego: